Pilar Parcerisas
Die in Cadaqués lebende österreichische Künstlerin Suse Stoisser nutzt die restaurierte romanische Architektur der arabischen Bäder aus dem 12. Jahrhundert als unvergleichlichen Rahmen, um in ihren Arbeiten mit den ihr eigenen Formen und Materialen, Ideen und Worten, unser Leben heute zu reflektieren. Die arabischen Bäder von Girona waren ein öffentlicher Ort der Kommunikation und Erholung, wo man sich gerne mit anderen traf. Wasser spielt an diesem Ort der Entspannung eine zentrale Rolle, und trägt dazu bei, Abstand zu einem von unnachgiebig anstrengendem Fortschritt geprägten Leben zu gewinnen, welcher unsere heutige Gesellschaft kennzeichnet.
Das ruhige Wasser, das sich im Inneren der moslemischen Bäder befindet und den Wert der Reinigung besitzt, verwandelt sich in eine Art “ Unterirdischen Himmel”, und wird als der Grösste aller Wünsche dargestellt. Der Dichter Paul Claudel träumte: “Alles, was das Herz begehrt, kann immer auf das Wasser zurückgeführt werden”. Die Bäder verwandeln sich hier in einen gleichsam religiösen Raum, in ein Kloster, welches das Wasser zu einer Substanz mit einzigartigem Wert erhöht.
Die Künstlerin verändert diesen Raum in eine dem Denken offene Kultstätte, mit der Substanz Wasser als Protagonist. Die Besinnug auf das Wasser gibt diesem Ort der Entspannung und der Kommunikation den religiösen Sinn zurück, welchen dieses Gebäude in der Periode als Convent schon hatte.
Stoisser bezieht sich auf John Grays Theorien zum Kapitalismus über eine Gesellschaftsform, welche im Rahmen der Globalisierung und von modernen Technologien vorangetrieben sich als das Wirtschaftsmodell der westlichen Welt durchsetzt. Auch die alten moslemischen Bäder waren Orte, an denen Geschäfte und wirtschaftlicher Handel betrieben wurde. Verschiedene Kunstwerke in den einzelnen Räumen der arabischen Bädern werden vom Wort bestimmt. Im Apodyterium, dem Umkleideraum, befindet sich eine grosse Photographie, die auf eine Stahlplatte aufgezogen und auf der Wasser abgebildet ist. Auf der vom Druck ausgesparten Edelstahlfläche in der Form eines Sofas sehen wir Hand gemalte Kissen. Diese Arbeit bezieht sich auf Freud’s Diwansofa, die Suche nach dem Unterbewussten und eine Reise in die innere Dimension der Seele.
Sieben Edelstahlwürfel stellen Variationen des Wortes COMMUNICATION in Silbenform dar. Auf den verschiedenen Rückseiten kann man englische Worte oder Präpositionen lesen, die mit der Silbe, die die Vorderseite zeigt, kombinierbar sind und wodurch jeder Würfel eine neue Wortbedeutung erhält: come on, on i off, care, union. Je nach Standpunkt des Betrachters kann die eine oder andere Kombination gelesen werden.
Eine andere Gruppe von Würfeln stellt ein ähnliches Wortspiel dar : SCREEN/ SCREAM. Auf der Vorderseite entziffern wir das Wort screen (Bildschirm), auf der Rückseite scream (Schrei).
Wir leben in einer Gesellschaft, dominiert von Monitoren und der Möglichkeit beliebiger Reproduzierbarkeit unserer selbst durch Kommunikation mittels eines grossen Sortiments verschiedener Apparate, wohingegen der Schrei von den Sorgen und Problemen, die uns umgeben, kündet.
Im Frigidarium, dem Kälteraum, zeigt uns Stoisser zwei sehr interssante Werke. Die DISKUSWERFERIN wird unter zwei Steinbögen im Paar präsentiert. Aus einer flachen Marmorplatte wird der archaische Körper herausgearbeitet, und symbolisiert die Sinnlichkeit und die Freuden des Körpers. Der Stahldiskus, der kurz davor ist, losgeschleudert zu werden, symbolisiert seine Kraft. Gleichzeitlig zeigt sich uns ein mit Lücken aus farbigem Glas perforierter Körper, Öffnungen, die sich durch die Figur ziehen, und die Neigung des Diskuswerfers nachvollziehen. –Wir leben in einer transparenten Gesellschaft, an Flugplätzen werden unsere Körper gescannt, wenn wir von einem Land zum anderen reisen.
Im selben Raum versucht eine andere Arbeit den ebenen, perfekten Horizont zu finden.Verschiedene, mit Wasser gefüllte Gefässe werden auf Stahlsockeln mit leicht geneigten Grundflächen, deren Neigungen in verschiedene Richtungen weisen, angeordnet. Es ist en Versuch, das Konzept des Horizonts zu untergraben und zeigt, dass wir Wasser nicht zur Neigung bringen können, sondern nur dessen Behälter, -eine Metapher für das Leben selbst.
Im Tepidarium, dem Wärmeraum, befindet sich die Gruppe PENTAGON / BLUME, bestehend aus zwei Steinkörpern in der Form von Hochkantquadern. Im einen sehen wir eine blumenförmige Öffnung, darunter wurden auf der einen Seite, kalligraphisch und aus Edelstahl, das Wort full (voll) eingelgt, und auf der anderen Seite als Negativ in eine Stahlplatte geschnitten das Wort less (weniger) angebracht. Im zweiten Stein ist ein aus Stahl geschnittenes Pentagon eingelegt, darunter ist der Stein von den Buchstaben CARA,E,O –Gesicht,sich kümmern,teuer, vertikal durchbrochen. – Anspielungen an die Leere und die Fülle, an mehr und an weniger , an die Verständigung zwischen Mann und Frau, and an das Missverständnis der Worte. Im selben Raum steht das Werk “MAJA VACIA”/”DIE LEERE MAJA” (2003-2004), ein früheres Werk, welches das Interesse der Künstlerin für den leeren Raum illustriert.
Im Caldarium, dem Hitzeraum, kommt Stoisser abschliessend auf den Kubus oder Stahlwürfel und auf das ausgeschnittene Pentagon zurück, und schreibt die Wörter most (am meisten), must (müssen) und will (Wille) auf jeweils eine Seite eines Würfels. Sie inszeniert diese 3 Worte, welche die Freiheit, soziale Schicksale zu entscheiden, steuern können, zusammen mit einem Baum als Symbol des Wachsens und des Lebens. Eine Arbeit, zusammengestetzt aus zahlreichen Stahlplaketten mit männlichen und weiblichen Artikeln, “el” und “la”, trägt den Rest an Bedeutungen bei. Neben der Vielzahl von offensichtlich kontrollierten Inhalten, bleibt Raum für Absurdität, wohin nämlich jede Wiederholung führt: “la, la, la”. Dieser Raum wird mit einem anderem, früheren Kunstwerk abgeschlossen. SQUARE WORDS, besteht aus verschiedenen Metallplatten, die einander überlagern und auf welchen in ähnliche Schriftzüge die Worte and, end, und lesbar, spiegelverkehrt oder auf den Kopf gestellt montiert wurden.
Die Ausstellung zeigt die Absicht der Künstlerin, an einem grossartigen Ort, der durch seine frühere Funktion eine starke Verbindung zum rituellen Wert von Wasser darstellt, verschiedene Fragen aufzugreifen, welche unser Dasein betreffen. So, als ob jemand mit den Besuchern zusammen ein Bad nimmt, das auf Kommunikation und Reflexion beruht, oder auf Kommentaren zu den Bedeutungen im ständigen Sprachgebrauch. Wie z.B: Vergangenheit und Gegenwart, maskulin und feminin, Ordnung und Chaos, Bewegung und Ruhe, voll und leer. Immer in Anbetracht des schwierigen gemeinsamen Nenners von Freiheit als wichtigsten Faktor und Entscheidungsträger über das Schicksal von Individuum und Gruppe, dient dieser Ort auch, die Geschichte zu überdenken.
Pilar Parcerisas. Kunsttheoretikerin. 2010
Überstzt von ROBERT SINDERMANN